Südtirol Online

Navigation


NEU Start mit Stol

Bannerwerbung

Bannerwerbung

 
  09.11.1997, 12:37 Uhr

„Tötete, ohne nachzudenken“

Interviews von Mafiabossen sind eine Seltenheit. Wenn einer wie Enzo Brusca einmal auspackt, gibt er Einblick in eine dunkle, bedrückende Welt. „Bei meinem ersten Mord war ich 18 Jahre alt. Der Mann wurde erst einmal über Stunden gefoltert, dann wurde ich ins Zimmer geholt, um ihn zu erwürgen. Mir wurde nur gesagt: “Zieh die Schlinge zu.' „Was der sizilianische Pate Enzo Salvatore Brusca dem “Corriere della Sera„ erzählte, kommt nicht nur einem Geständnis von sieben Morden gleich – es ist zugleich ein Bericht über das offenbar nach wie vor funktionierende Innenleben der “Ehrenwerten Gesellschaft„.

“Ich tötete, ohne auch nur nachzudenken, als sei das eine ganz normale Sache … Ich hätte alles für die Cosa Nostra getan, ich hätte sogar Kamikaze gemacht. Vor dem Tod hatte ich keine Angst, denn ich bin in einem Klima des Terrors und der Gewalt aufgewachsen.„

Der 28jährige, der seit einem Jahr im Gefängnis sitzt, kommt aus einem der mächtigsten Clans: Sein Vater war bis Mitte der 80er Jahre einer der höchsten Paten in Sizilien, sein Bruder Giovanni (“der Schlächter„) galt bis zu seiner Festnahme als einer der gefürchtetsten Killer der Insel.

Daß er anders ist als die anderen Buben im berühmt-berüchtigten Dorf San Giuseppe Jato, wird Enzo (Kurzform für Vincenzo) schon früh klar: “Als ich zwölf war, drückte man mir eine Pistole in die Hand.„

Die “Piovra„ (Mafia) war für ihn Lebensmittelpunkt, Gewalt einziges Mittel im Überlebenskampf.

Das war der Weg, um in der Mafia aufzusteigen. Zeitweise mußten die anderen Brusca einsperren, sonst wäre er “zu einem Tier geworden„.

Über die meisten Morde verliert Enzo, der das Interview an einem geheimen Ort in einer norditalienischen Haftanstalt führte, nicht viele Worte. Leid tut ihm allerdings das grausame Ende eines Zwölfjährigen, den er erdrosselte, ehe er seine Leiche in Säure auflöste – nur weil er Sohn eines rivalisierenden Clans war.

Mit seinem Bruder Giovanni macht Enzo gleich zweimal Furore: Beide bieten der Justiz ihre Mitarbeit als “Pentiti„ (reuige Mafiosi) an, und beide beschuldigen den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, während seiner Amtszeit persönlich Bosse in Sizilien getroffen zu haben – sogar einen Wangenkuß soll es gegeben haben.

Über eines macht sich Enzo keine Illusionen: Am Ende ist die Mafia noch lange nicht, selbst wenn er mehrere Bosse ans Messer liefert, und noch weitere Aktionen gegen die “Ehrenwerte Gesellschaft„ gelingen. “Wie ein Chamäleon wechselt sie ihr Äußeres„, doch die “Omertà„, das Gesetz des Schweigens, ist unerbittlich. “Die Cosa Nostra hat unsere Familie bis zur siebenten Generation zum Tod verurteilt.„